Mit Brief vom 08. Januar 2021 an den Finanzsenator Dr. Kollatz fordert dbb Beamtenbund und Tarifunion eine schnelle Umsetzung der Urteile bezüglich der Alimentationsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und zwar noch vor Beginn der Einkommensrunde 2021!

Sehr geehrter Herr Senator Dr. Kollatz,

Ausgangslage

das Bundesverfassungsgericht hat am 4. und 5. Mai 2020 zwei wegweisende Entscheidungen zur Bemessung des Mindestmaßes der amtsangemessenen Alimentation von Beamtinnen und Beamten getroffen. Die Entscheidungen verurteilen unmittelbar die beklagten Länder Berlin (Grundbesoldung für Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppen R 1 und R 2 in den Jahren 2009 bis 2015 sowie der Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2015) und das Land Nordrhein-Westfalen (Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppe R 2 mit drei Kindern im Jahr 2013 sowie mit vier Kindern in den Jahren 2014 und 2015) zur Herstellung von verfassungskonformen Besoldungsleistungen für die Vergangenheit und die Zukunft. In beiden Fällen hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die gewährte Besoldung evident unzureichend war bzw. hinter den Anforderungen an die Alimentation kinderreicher Richter und Beamter zurückgeblieben ist – und eine rückwirkende Behebung hinsichtlich derjenigen Richter und Staatsanwälte erforderlich ist, die sich gegen die Höhe ihrer Besoldung zeitnah mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben. Dabei ist es unerheblich, ob insoweit ein Widerspruchs- oder ein Klageverfahren schwebe. Das Bundesverfassungsgericht hat weiter die Gesetzgeber der beklagten Länder verpflichtet, zukünftig verfassungskonforme Regelungen mit Wirkung spätestens vom 1. Juni bzw. 1. August 2021 an zu treffen. Mit den Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht erneut grundlegend Inhalt und Details der amtsangemessenen Alimentation im Sinne des Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz für alle Beamtinnen und Beamten ausgeschärft. Unzweifelhaft sind damit die Entscheidungen nicht auf die Besoldungsrechtskreise Berlin und Nordrhein-Westfalen und streitgegenständlichen Jahre beschränkt, sondern entfalten durch die in den Urteilen festgestellten und bekräftigten grundgesetzlichen Anforderungen Wirkung für alle Besoldungsgesetzgeber in allen Ländern und beim Bund.

Handlungsnotwendigkeiten

Zur schnellstmöglichen Beseitigung der jeweiligen verfassungswidrigen Lage des einseitigen Verfassungsverstoßes gegenüber Ihren Beamtinnen und Beamten ist dringend ein eindeutiges gesetzgeberisches Handeln geboten. Bereits aus allgemeinen Rechtsstaatsgrundsätzen umfasst dies die Beseitigung des verfassungswidrigen Zustandes für die Vergangenheit, für diejenigen, die ihre Ansprüche geltend gemacht haben. Zudem muss eindeutig, klar, unmittelbar unter Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts die Gewährung des jeweiligen Mindestmaßes der Alimentation spätestens ab Mitte des Jahres 2021 für die weitere Zukunft sichergestellt werden. Die zeitnahe Umsetzung folgt als Auftrag unmittelbar aus der Verfassung und den vom Bundesverfassungsgericht bereits mit der W-Besoldungsentscheidung aus Februar 2012 und den A- und R-Besoldungsentscheidungen aus Mai und November 2015 verschärften und präzisierten Kontroll-, Beobachtungs- und gesetzgeberischen Handlungspflichten zur Ausgestaltung einer jeweils amtsangemessenen Mindestalimentation. Richtig wäre es zum Ausdruck zu bringen, dass Sie als Dienstherr die Leistung Ihrer Beamtinnen und Beamten auch finanziell anerkennen, indem Sie die tatsächlich geschuldete Besoldung sowohl für die Vergangenheit nachzahlen, aber auch im Jahr 2020 und für die Zukunft gewähren. Vor allem aber würde dies den unhaltbaren Umstand beenden, dass Beamtinnen und Beamte ihren Dienstherrn durch Klagen immer wieder zu gesetzeskonformen Verhalten zwingen müssen. Nur dadurch kann das bei den Beamtinnen und Beamten verlorene Vertrauen in ihren Dienstherrn wiedergewonnen werden. Der dbb und seine Landesbünde mit seinen über 1,3 Millionen Mitgliedern in Bund, Ländern und Kommunen stehen als fachkompetente Gesprächspartner zur Verfügung. Die Gesamtlage ist hochkomplex und vielgestaltig unterschiedlich. Zugleich sind verfassungskonforme Lösung unabdingbar. Es ist deshalb wichtig, dass alle Akteure im Rahmen ihrer jeweiligen Funktionen, Aufgaben und Möglichkeiten diese großen Herausforderungen für das Berufsbeamtentum in Deutschland konstruktiv und gemeinsam angehen. Bei den Umsetzungen der Entscheidung ist es nach Ansicht des dbb und seiner Landesbünde dringend angeraten, in sachorientierter Abstimmung auf der Basis von einheitlichen Grundlagen mit allen Ländern und dem Bund einheitliche, tragfähige und zukunftsfähige Regelungen zu treffen, um die bereits bestehenden unterschiedlichen Regelungen in den Besoldungsgesetzen nicht weiter zu vertiefen und die gebotene Grundeinheitlichkeit wiederherzustellen. Die rückwirkende Herstellung und zukünftige Sicherstellung einer verfassungsgemäßen Mindestalimentation in Umsetzung der Entscheidungen ist dabei nicht mit der Frage der Teilhabe aller Beamtinnen und Beamten an der allgemeinen finanziellen und wirtschaftlichen Entwicklung identisch oder gar austauschbar. So ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, dies mit der im Jahr 2021 stattfindenden Einkommensrunde zu „vermischen“ bzw. das Volumen für die Wiederherstellung der amtsangemessenen Alimentation auf diese „anzurechnen“. Die Gewährung der amtsangemessenen Alimentation ist eine verfassungsrechtliche Pflicht eines jeden Besoldungsgesetzgebers, die über Jahre, auch durch einseitige gesetzliche Sparmaßnahmen – beispielhaft die Kürzung bzw. Streichung des sog. Weihnachtsgeldes – verletzt wurde. Der dbb mit seinen jeweiligen Landesbünden erwartet, bei der Umsetzung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts mitzuwirken, um für alle Beamtinnen und Beamten eine tragfähige und vor allem akzeptable Lösung zu finden und um erneute gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Inhaltsgleiche Schreiben haben die zuständigen Ministerinnen/Minister aus Bund und Bundesländern erhalten.

Mit freundlichen Grüßen, Frank Becker (Landesvorsitzender dbb berlin) und Ulrich Silberbach (Bundesvorsitzender dbb beamtenbund und tarifunion)

Zum Brief und Erläuterung der dbb Besoldungsallianz gelangen Sie hier.