Vor knapp vier Jahren wurde Martina Riedel zur ersten weiblichen Vorsitzenden des Gesamtpersonalrats für die Berliner Finanzämter gewählt. In einem Interview schildert sie Herausforderungen und Erfahrungen aus der zu Ende gehenden Wahlperiode.

Martina Riedel, GPR-Vorsitzende, kandidiert erneut auf Listenplatz 1 der DSTG

Nach vierjähriger Amtszeit als GPR-Vorsitzende zählst Du längst zu den erfahrenen Beschäftigtenvertreterinnen. Erinnerst Du Dich noch, mit welchen praktischen Schwierigkeiten Du bei Deinem Amtsantritt zunächst konfrontiert warst?

Martina Riedel: Da könnte ich eine lange Liste vortragen. Das fängt im Kleineren mit technischen Problemen an und hört im Grundsätzlichen bei alten verkrusteten Strukturen auf, gegen die ich übrigens heute noch ankämpfe. Schon die korrekte Bedienung der vielfältigen Outlook-Funktionen – ohne Schulung und von einem Tag auf den anderen – entpuppte sich bei meinem Amtsantritt als echte Herausforderung. Ein falscher Klick und eine Nachricht oder ein Termin wäre für alle GPR-Mitglieder gelöscht gewesen. Kein Wunder, wenn ich nach diesen schweißtreibenden Erfahrungen noch heute eine energische Verfechterin von Outlook Schulungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bin. Zu den ersten, rein praktischen Hürden, die es zu über winden galt, zählte auch die sehr differenzierte Kompetenzverteilung in der Senatsverwaltung. Als Vorsitzende des Personalrats in FuSt hatte ich im Wesentlichen zwei Ansprechpartner, nämlich die Amtsleitung und die Geschäftsstellenleitung. In der Senatsverwaltung dagegen stand mir plötzlich nicht nur für jedes Thema ein zuständiges Referat gegenüber. Je nach Problemstellung kann die Zuständigkeit bei der Referatsleitung, bei dem/ der Koordinator/in oder auch auf Sachbearbeitungsebene liegen. Schließlich ist natürlich auch ein ganzer Katalog neuer Themen, die in FuSt keine Rolle gespielt haben, buchstäblich über mich hereingebrochen. Viel Einarbeitung musste da investiert und viel Neues hinzugelernt werden, aber gerade die Herausforderung des täglich Neuen macht die Aufgabe auch noch heute so spannend für mich!

Wie war es um die Arbeitsabläufe im GPR bei deinem Amtsantritt bestellt?

Martina Riedel: Die Arbeitsabläufe im GPR hatte ich mir allerdings differenzierter, effizienter und auch zielführender vorgestellt. Jahrzehntelang war dort offenbar „Schema F“ tonangebend, was nun überhaupt nicht meinen Vorstellungen entspricht. Wer frei nach der Devise handelt „Das haben wir schon immer so gemacht“ verschenkt wichtige Einflussmöglichkeiten und Handlungsspielräume und schafft so denkbar schlechte Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit des Gesamtpersonalrats. Wie zählebig diese alten verkrusteten Strukturen sind, zeigt sich auch daran, dass ich noch 4 Jahre nach meinem Amtsantritt immer wieder dagegen ankämpfen muss. Was bedeutet es Dir, Vorsitzende des Gesamtpersonalrats zu sein? Martina Riedel: Mit meinem Amt verbinde ich in erster Linie großen Respekt vor der Verantwortung für ca. 7000 Beschäftigte. Jeder Beschluss, den der Gesamtpersonalrat fasst, wirkt sich zwangsläufig auf die Arbeit vieler Menschen aus. Es wäre fatal, sich hier nur von Gefühlen lenken zu lassen. Auch Machtgedanken und andere sachfremde Überlegungen dürfen da keine Rolle spielen und sind mir persönlich auch fremd. Schließlich kann es auch nicht nur darum gehen, GPR-Mitglied zu sein – man muss es auch können!

Du hast gerade die Bedeutung der Beschlüsse des Gesamtpersonalrats für die Beschäftigten erwähnt. Wie kommen diese Beschlüsse zustande?

Martina Riedel: Bei Abstimmungen im GPR ist ausschlaggebend, welche Beschäftigtengruppe von einem Beschluss betroffen ist. Hat ein Beschluss ausschließlich Auswirkungen auf die Beamten oder die Tarifbeschäftigten darf nur die betroffene Gruppe abstimmen. Hat er für beide Beschäftigtengruppen Geltung, wie es beispielsweise bei der Einführung neuer PC-Anwendungen der Fall ist, dürfen alle Mitglieder des GPR abstimmen. Man spricht dann von einem Plenumsbeschluss.

Welchen Einfluss hast Du auf die Entscheidungen des GPR?

Martina Riedel: Die DSTG stellt derzeit mit insgesamt 11 von 23 Mitgliedern im GPR die größte Fraktion. Das ist auch bei den Beamten mit 9 von 18 Sitzen der Fall. Eine Mehrheit ist das allerdings nicht. Das heißt, wann immer ich ein Projekt anstoßen oder auch nur ein GPR-Info veröffentlichen möchte, bin ich auf die Unterstützung von Mitgliedern der anderen Fraktionen angewiesen. Das erfordert Fingerspitzengefühl, Kompromissbereitschaft und Verhandlungsgeschick – und gelingt trotzdem leider nicht immer. So fehlen beispielsweise richtungsweisende Aussagen des GPR zur Steigerung der Ausbildungszahlen. Dieses außerordentlich wichtige Thema mit all seinen Facetten, auch in Bezug auf die stark belasteten Kolleginnen und Kollegen, ist leider den Mehrheitsverhältnissen im GPR zum Opfer gefallen. Insofern hoffe ich, dass sich das nach den Wahlen am 2. Dezember ändert und klare Mehrheitsverhältnisse herrschen werden. Die Beschäftigten sind schon stark genug belastet, sie brauchen nicht auch noch einen GPR, der sich selbst im Weg steht!

Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit mit der Verwaltung?

Martina Riedel: In den letzten fast 4 Jahren hat sich in vielen Bereichen eine gute Gesprächskultur entwickelt. Beispielsweise haben wir quartalsweise Gespräche mit dem IT-Bereich eingeführt und sind auf diese Weise frühzeitig in neue Soft- oder Hardware-Planungen eingebunden. Auf dieser Grundlage ist es auch gelungen, gemeinsam einen IT-Beteiligungsbogen zu entwickeln. Gerade im IT-Bereich hat sich die Zahl der Beteiligungsvorlagen in den letzten Jahren vervielfacht und grundlegend gewandelt, man denke nur an die Einführung der Anwendung StundE. Oder wer hätte noch vor Kurzem gedacht, dass auch die Poststellen mittlerweile verstärkt am PC arbeiten?

Kannst Du Beispiele nennen, bei denen Du Dir eine bessere Zusammenarbeit gewünscht hättest oder wäre das ein Verstoß gegen das Personalratsgeheimnis?

Martina Riedel: Ich drücke es einmal allgemein aus: Wenn die Senatsverwaltung ein Projekt plant und dazu auch Verträge mit Dritten abschließt, ist der GPR nicht erst einzubinden, wenn die Planungen bereits abgeschlossen sind. Schon mehrmals bin ich nur durch das Studium diverser Besprechungsprotokolle im AIS auf mitbestimmungsrelevante Themen aufmerksam geworden, darunter auch solche, die Datenschutzverletzungen oder Mehrarbeit für die Beschäftigten zur Folge hatten. Mit den Fachbereichen stehe ich in guten Gesprächen, auch wenn dies nicht immer dazu führt, dass Forderungen durchgesetzt werden können.

Wie gehst Du mit Problemen um?

Martina Riedel: Ich bin ein Mensch, der Probleme gern sofort in Angriff nimmt und nicht erst lange zögert. Anstatt seitenlange Briefe zu schreiben (auch wenn das natürlich manchmal sein muss), greife ich lieber mal schnell zum Telefonhörer. Missverständnisse lassen sich so vermeiden und Sachverhalte schnell aufklären. Gerade in Corona-Zeiten hat sich dieser Weg besonders bewährt, weil die Arbeit weitgehend in Homeoffices verlagert worden ist. Ein Nachteil ist allerdings, dass diese Gespräche wegen der in den anderen Fraktionen vorherrschenden Misstrauenskultur schwierig zu führen sind.

Welche Ziele in Schlagworten sind Dir für die nächste Wahlperiode besonders wichtig?

Martina Riedel: Es gibt noch viel zu tun und ich möchte auch in der nächsten Wahlperiode meine ganze Kraft und Energie für bessere Beschäftigungsbedingungen für unsere Kolleginnen und Kollegen einsetzen. Mit den neuen Erfahrungen, dem zusätzlichen Fachwissen und meinen inzwischen breit gefächerten Verbindungen kämpfe ich für mehr Auszubildende, bessere Ausbildungsbedingungen, mehr Beschäftigte, Abschaffung der „Entbehrungsquote“, moderne Büroausstattung, anwenderfreundliche IT, gesunde Arbeitsbedingungen, Sozialberatung für alle Beschäftigten.

Dieses umfangreiche Aufgabenpaket ist ganz sicher nur mit einer starken GPR-Vorsitzenden lösbar. Umso mehr wünschen wir Dir eine weitere erfolgreiche Wahlperiode.

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